Mythen und Legenden zwischen Stuttgart und Esslingen
Mythen und Legenden zwischen Stuttgart und Esslingen
Wo Geschichte auf Legende trifft
Zwischen den malerischen Gassen Esslingens und den ehrwürdigen Mauern Stuttgarts ranken sich Geschichten, die seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben werden. Diese Legenden sind mehr als nur Erzählungen – sie sind das kulturelle Erbe einer Region, die reich an Geschichte und Geheimnissen ist.
Der Ludwigsburger Kaufmann: Ein Schwur, der keine Ruhe fand
In der Legende vom Ludwigsburger Kaufmann lebte dieser einst wohlhabend in Ludwigsburg, dem nachgesagt wurde, er habe einen falschen Eid geschworen. Jahre später erkrankte der Mann schwer und starb nach einem qualvollen Todeskampf.
In der darauffolgenden Nacht hörte seine Frau um Mitternacht ein klagendes Geschrei, das sich ihrem Haus näherte. Als sich die Tür öffnete, erschien ihr der verstorbene Ehemann – totenbleich, mit drei zum Schwur erhobenen Fingern. Er gestand ihr ein Verbrechen, das er ihr zu Lebzeiten verheimlicht hatte.
Von diesem Zeitpunkt an erschien der Geist des Kaufmanns jede Nacht zur selben Stunde, was seine Frau in den Wahnsinn trieb. Auch andere Bewohner des Hauses berichteten von Erscheinungen, bis schließlich alle das Haus verließen.
Diese Geschichte wurde über Generationen hinweg weitererzählt und ist ein fester Bestandteil der lokalen Überlieferungen.
Postmichel – Der kopflose Reiter von Esslingen
Im 16. Jahrhundert lebte in Esslingen ein Postreiter namens Michel. Die Lelegende besagt, dass er eines Tages auf dem Weg von Stuttgart nach Esslingen einen goldenen Siegelring fand. Unwissend über dessen Herkunft, steckte er ihn an seinen Finger. Kurz darauf wurde Michel des Mordes an einem angesehenen Bürger beschuldigt – der Ring gehörte dem Ermordeten. Trotz seiner Unschuldsbeteuerungen wurde Michel zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Seitdem erzählt man sich, dass Michels Geist in jeder Michaelisnacht (29. September) auf einem weißen Pferd durch Esslingen reitet, den Kopf unter dem Arm und das Posthorn blasend. Er sucht den wahren Mörder, um endlich Frieden zu finden. Erst Jahrzehnte später gestand der wahre Täter – ein Neffe des Ermordeten – seine Schuld, woraufhin der Spuk endete.
Zur Erinnerung an diese Sage wurde der Postmichelbrunnen in der Fischbrunnenstraße in Esslingen errichtet. Er zeigt Michel auf seinem Pferd, das Horn erhebend – ein Mahnmal für Gerechtigkeit und die Macht der Wahrheit.
Mélac und das Mädchen von Esslingen

Das Mélac-Häusle auf der äußeren Burgmauer, wohin Katharina vom General Ezéchiel de Mélac eingeladen wurde
Zur Zeit der Franzosenkriege (1688–1697) zog der französische General Ezéchiel de Mélac plündernd durch Schwaben und hinterließ Zerstörung und Verzweiflung. Viele suchten Schutz hinter den starken Mauern der Freien Reichsstadt Esslingen. Aus Angst, Mélac würde die Stadt niederbrennen, öffneten die Esslinger die Stadttore.
Laut Legende bezog Mélac ein Zimmer im Gasthaus „Zum Goldenen Adler“ und entdeckte dort Katharina, die schöne Tochter des Hochdorfer Pfarrers Jeremias Haug, die bei einem Verwandten untergebracht war. Mélac verfolgte sie fortan auf Schritt und Tritt. Um seinen Zorn nicht weiter zu schüren, folgte Katharina schließlich seiner Einladung in das kleine Häuschen auf der äußeren Burgmauer, das heute als Mélac-Häusle bekannt ist.
Was genau in jener Nacht geschah, bleibt im Dunkeln. Die Sage erzählt, dass Katharina versuchte, Mélac zu erstechen, jedoch an seinem unter der Kleidung getragenen Panzer scheiterte. Mélac habe daraufhin das Mädchen erdolcht. Aus Reue über die Tat soll er von der Einäscherung der Stadt abgesehen haben.

Auf dem Schillerplatz soll die weiße Frau, wie sie Richtung Ahnensaal des Alten Schlosses verschwand gesehen worden sein
Die Weiße Frau von Stuttgart: Ein Omen des Todes
Am Schillerplatz in Stuttgart soll in dieser Legende eine geisterhafte, weißgekleidete Frau erschienen sein, die in Richtung Ahnensaal des Alten Schlosses verschwand, wenn der Tod eines Mitglieds des württembergischen Königshauses bevorstand. Laut Sage war die Weiße Frau zu Lebzeiten eine Herzogin gewesen, die in einem Anfall von Wahnsinn ihren Kindern eine Stricknadel durch den Schädel gerammt hatte. Ohne Buße zu tun, starb sie – und kehrte reumütig als der vor weiteren Todesfällen warnende Geist zurück.
Mit der Abdankung des letzten Württembergers 1918 soll die unheimliche Weiße Frau nie mehr erschienen sein.
Gespensterlicht und Silberglocke: Das trauernde Stuttgarter Burgfräulein
Hoch oben auf der Weißenburg, die einst majestätisch über Stuttgart thronte, lebte der Legende nach ein adliges Fräulein, das sich eines Tages große Sorgen zu machen begann, weil seine Mutter verschwunden war. Das junge Mädchen erzählte, dass diese sich im Wald verirrt haben müsse. Doch jede Suche blieb ergebnislos. Die Tochter kleidete sich also in Schwarz und begann zu fasten.

Stiftskirche Stuttgart – wo die Silberglocke der Weißenburg jeden Abend zum Gedenken an eine verschwundene Mutter noch immer erklingt
Bald darauf suchte sie ihren Silberschmuck zusammen und ließ daraus eine Glocke gießen, die ihrer Trauer Ausdruck verleihen sollte. Die Glocke wurde im Turm der Burg aufgehängt und täglich zweimal geläutet; einmal um neun Uhr abends, einmal um Mitternacht. Außerdem zündete das junge Mädchen jeden Abend ein Licht im Burgturm an, das der Mutter den Heimweg zeigen sollte. Trotzdem begannen die Stuttgarter zu tuscheln, das Edelfräulein selbst habe ihre Mutter ermordet.
Als die Weißenburg längst zur Ruine verfallen war, wollten Wanderer in der Nacht noch immer ein mysteriöses Licht flackern gesehen haben. Ein lebender Mensch konnte es nicht entzündet haben. Also munkelten die einen, das sei der Geist der ermordeten Mutter; die anderen glaubten, dass der Geist der Tochter immer noch jeden Abend neben dem Licht auf die Rückkehr der Mutter warte.
Im Jahr 1347 soll die Silberglocke laut Sage geborgen und in den hohen Turm der Stuttgarter Stiftskirche gehängt worden sein. Dort gibt es tatsächlich eine Silberglocke. Und auch, wenn das Gussjahr dieser kleinsten der insgesamt elf Glocken offiziell mit 1507 angegeben wird: erklingt sie bis heute mit einem hellen Ton um neun Uhr abends und um Mitternacht.
Fazit: Lebendige Legenden zwischen Stuttgart und Esslingen
Die Legenden des Postmichels, der Weißen Frau und anderer Gestalten sind mehr als nur Geschichten – sie sind Fenster in die Seele einer Region, die ihre Vergangenheit ehrt und lebendig hält. Ob bei einem Spaziergang durch Esslingen oder einem Besuch des Alten Schlosses in Stuttgart – die Spuren dieser Legenden sind allgegenwärtig und laden dazu ein, entdeckt zu werden.
Wenn du die geheimnisvollen Orte selbst entdecken möchtest, an denen die Legenden ihren Ursprung haben könnten, findest du hier eine Auswahl der schönsten Wanderwege rund um Stuttgart und Esslingen.
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